Achterbahn mit Coco Chanel
Natürlich war ich nicht mit Coco Chanel persönlich auf der Achterbahn, das wäre ja gar nicht möglich. Aber das Nähen dieser Coco Jacke, nach einem Schnittmuster von schnittchen patterns, fühlte sich teilweise so an. Wenn es aufwärts ging, stellte sich ein berauschendes, adrenalingeladenes Glücksgefühl ein. Und wenn es abwärts ging, schrie ich mir die Seele aus dem Leib vor Verzweiflung. Dies lag aber weniger am Schnitt, sondern mehr an meiner Stoffauswahl. Der Bouclé mit 7 Prozent Wollanteil von Milliblus ist ein wirklich wunderschöner Stoff in genau meinen Farben. Diese Lurex-Glitzerfäden sind einfach nur schön.
Lange bin ich schon um ihn herumgeschlichen, aber mir fehlte die passende Idee. Nachdem mein Coco Jäckchen aus dunkelblauem Wollbouclé sich sehr bewährt hat und viel getragen wird, war klar, dass ich aus daraus ebenso ein solches Jäckchen machen kann. Gesagt getan, Stoff inklusive passendem Futter gekauft. Die Verkäuferin meinte nur, der Stoffe franse dann ein bisschen aus. Na ja, ein bisschen war leicht untertrieben.
Ziel war, die Jacke als Teil meines Weihnachtsoutfits zu tragen und hey, es war ja erst November. Ich hatte also noch alle Zeit der Welt. Zuhause musste der Stoff aber zuerst noch ganz laaange gestreichelt werden. Die Vorfreude auf mein fertiges Projekt stieg quasi ins Unermessliche. So wie wenn ihr in der Achterbahn sitzt, und sie schön gemütlich in die Höhe tuckerlet und ihr genau wisst, jetzt kommt dann gleich die Stelle, wo die Bahn an Tempo gewinnt und ganz schnell runtersaust! Yeaaah!!
Leider hatte die Achterbahn aber genau dort ein technisches Problem. Der Stoff begann beim Zuschneiden sehr stark auszufransen. Irgendwo hatte ich gelesen, dass man in diesem Fall gleich nach dem Zuschnitt die Kanten mit Malerkreppband bekleben und danach mit der Overlock versäubern soll um eben das weitere Ausfransen zu stoppen. Das Bekleben der Schnittkanten an sich war keine schlechte Idee, nur wie entferne ich das Klebband wieder, ohne dass es mir die einzelnen Fäden ausreisst sprich die Kante noch mehr ausfranst??? Der rasante, steile Abstieg in der Achterbahn begann.
Dieser Bouclé besteht aus vielen unregelmässigen Garnen und schmalen Bändern und hat mich an diese Teppiche erinnert, die ich damals im Kindergarten mit Hilfe des Webrahmens gewebt habe. Oh man, ich hatte
Schweissausbrüche und grosse Angst, dass es mir die Schnittteile verzieht und am Schluss gar nichts mehr aufeinanderpasst. Ich fuhr quasi Loopings in der Achterbahn ohne Sicherheitsgurt!! Nach zwei Teilen versäubern hatte ich keine Nerven mehr und habe den ganzen Rest auf die Seite gelegt. Das war auch der Hauptgrund, wieso die Jacke bis Weihnachten nicht fertig wurde. Ich war frustriert und wütend, ich hatte mich doch so sehr auf diese Jacke gefreut! Aber gut Ding will offenbar Weile haben, sagt man ja so schön.
Auf dem Foto oben ist gut zu erkennen, wie die Kante nach dem Entfernen des Klebbandes aussah. Nach dem Versäubern haben die Kanten zum Glück gehalten, der ganze Prozess kostete mich aber viele Nerven. Erst zwischen Weihnachten und Neujahr hatte ich wieder die Muse, mich an die Maschine zu setzen und langsam, Stück für Stück das Klebband zu entfernen und zu versäubern. Die Bahn nahm langsam wieder Fahrt auf, diesmal mit Sicherheitsgurt.
Das Nähen der Jacke an sich ging dann wieder schnell. Es ist kein komplizierter Schnitt. Das Venezia Futter liess sich super verarbeiten und ich liebe diese Farbe!! Aber sie ist sehr schwer einzufangen, passt aber perfekt zu den orange-roten Garnen des Bouclés.
Naht für Naht wuchs die Vorfreude auf mein Jäcken wieder und ich konnte wieder lachen. Spannend finde ich auch immer den Moment, wenn die Jacke durch die Wendeöffnung gewendet wird. Auf Englisch heisst der Prozess des Wenden «Birthing» und ich finde dies sehr passend. Für Laien liegt hier vielleicht nur ein Knäuel Stoffe, aber für mich ist dieses Bild der Inbegriff von Vorfreude auf das fertige Projekt. Die Anspannung ist jeweils hoch, der Adrenalinspiegel auch! Wenn am Schluss dann alles passt, ist die Erleichterung doppelt so gross.
Dieses Projekt war eine ziemliche Achterbahn der Gefühle. Freude, Enttäuschung, Frust, Wut, leichtes hoffen, Vorfreude, Anspannung, Erleichterung und Freude pur. Aber es hat sich gelohnt, definitiv! Damit hat dieses Stück definitiv auch das Label «Sewing ist he F*king best» mehr als verdient, oder?
Da man bekanntlich im Nachhinein immer schlauer ist, habe ich mich nun mit Hilfe von Dr. google weitergebildet und weiss jetzt, dass ich anstatt Malerkreppband besser ein Saumband oder einen Schrägstreifen aus Vleseline genommen hätte, um die Stoffkanten zu schützen. Kennt ihr noch andere Tipps? Wenn ja, nur her damit!
Nun zu den Facts:
Stoff: Bouclé mit 7% Wollanteil von Miliblues, gekauft bei Stoffzentrale Aarau
Futter: Venezia Futter, gekauft bei Stoffzentrale Aarau
Schnitt: Jacke Coco von schnittchenpatterns.com
Label: Sewing ist he f*king best von Kylie and the machine, gekauft bei helloheidifrabrics.com
Liebe Grüsse
Beitrag enthält liebgemeinte
Werbung aus Überzeugung (Stoff und Schnittmuster selbst gekauft)